documenta
archiv
3/9
Laura Diermann

b+d — Ein Vergleich des Erscheinungsbildes

Primärfarben, ornamentlose Gestaltung, Kleinschreibung — der plakative Auftritt der beiden Schriftstile des Bauhauses und der documenta weist erhebliche Ähnlichkeiten auf.

Die Gestalter des typografischen Designs der documenta griffen bewusst auf den Stil des Bauhauses und seiner plakativen Schlichtheit zurück. Doch wie sah das Corporate Design der ersten documenta Ausstellungen aus und wo liegen die Parallelen zur am Bauhaus entwickelten Schriftgestaltung?

Das Schriftdesign spielte schon immer eine große Rolle am Bauhaus. Nicht erst 1925 unter der Leitung Herbert Bayers in der Werkstatt für Reklame und Druck untersuchten und erprobten die Studierenden verschiedene Schriftgestaltungen. Bereits ab 1919 wurde im Kurs »Schriftformlehre« mit Typographien experimentiert. Einige Bauhaus-Meister waren besonders in das Vorhaben involviert, eine wirtschaftliche und den Geist des Bauhauses wiederspiegelnden Typographie zu entwickeln, so etwa Oskar Schlemmer, Johannes Itten, László Moholy-Nagy und Wassily Kandinsky. Von studentischer Seite aus unterstützten dieses Vorhaben Joost Schmidt, Josef Albers und Herbert Bayer.

Um ein geeignetes Schriftdesign zu finden, experimentierten sie fortlaufend mit den Primärformen Kreis, Quadrat und Dreieck und den Primärfarben Rot, Blau und Gelb#m. Zu den ersten Untersuchungen rund um die geometrischen Formen zählte der Drucktypentheorie-Kurs von Lothar Schreyer. Er ließ Studierende 1921 auf Grundlage von Kreis, Quadrat und Dreieck und der drei Primärfarben Alphabete erstellen. 1923 startete auch Josef Albers den Versuch einer »Kombinationsschrift«, die Quadrat, Kreis und Viertelkreis miteinander vereinen sollte.

mehr über Herbert Bayer
Index: Personen
mehr über Oskar Schlemmer
Index: Personen
mehr über Johannes Itten
Index: Personen
mehr über László Moholy-Nagy
Index: Personen
mehr über Wassily Kandinsky
Index: Personen
mehr über Joost Schmidt
Index: Personen
mehr über Josef Albers
Index: Personen
mehr über Lothar Schreyer
Index: Personen

Herbert Bayer hingegen experimentierte mit quadratischen Grundformen zur Herstellung einer geeigneten Typographie für die Institution. Wegweisend für die beschriebene Entwicklung war die Berufung László Moholy-Nagys an das Bauhaus Weimar 1923. Durch ihn erfuhr die Typographie eine grundlegende Veränderung, denn er forderte eine Einheitsschrift, die als Instrument der Mitteilung »in der eindringlichsten Form« fungieren sollte:

mehr über das Bauhaus Weimar
Index: Organisationen
»
Zu fordern ist zum Beispiel eine Einheitsschrift, ohne Minuskeln und Majuskeln; nur Einheitsbuchstaben — nicht der Größe, sondern der Form nach. (…) Die Annahme von Grundformen, wie Kreis, Quadrat, Dreieck, führt heute bei der Schriftumgestaltung gewiß zu interessanten formalen, sogar notwendig praktischen Ergebnissen.
«
Quelle

Offset-, Buch- und Werbekunst.
Jg. 1926, No. 7,
Leipzig 1926.

Im selben Jahre, im Zuge der Vorbereitungen auf die erste große Bauhaus-Ausstellung beschäftigten sich László Moholy-Nagy, Joost Schmidt und Herbert Bayer intensiv mit farbig gestalteten, geometrischen Formen und Logos. Sie entwarfen Werbegrafiken, die die Bauhaus-Ausstellung stark beeinflussten. Ihr Alleinstellungsmerkmal: »sans-serif« Großbuchstaben und eine abstrakt minimalistische Gestaltung.

Joost Schmidt:
Plakat für die Ausstellung Bauhaus 1923,
gezeigt auf der Sonderschau Graphik,
documenta 3, 1964
© bpk / Kunstsammlungen Chemnitz / Lázsló Tóth / VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Herbert Bayer: Plakat für die erste Bauhaus-Ausstellung, 1923
© VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Herbert Bayer: Plakat für die erste Bauhaus-Ausstellung, 1923
© VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Mit dem Umzug des Bauhauses Weimar nach Dessau zog auch der Gedanke der Einheitsschrift um. Herbert Bayer führte die Idee weiter und forderte eine einheitliche Typographie, die auf den geometrischen Formen des Kreises und des Quadrats basierte. Wie Moholy-Nagy plädierte er für einen Verzicht auf Groß- und Kleinschreibung und entwarf die »Universalschrift« auf Basis der »Schelter’schen Grotesk«.

Die neue Schriftart fand 1925 Einzug in das Corporate Design des Bauhauses und setzte sich in Werbe- und (Geschäfts-)Drucksachen durch.

Herbert Bayer,
Versuch einer neuen Schrift, um 1926

aus: Offset, Buch- und Werbekunst, Zeitschrift,
Heft 7, Sonderausgabe »Bauhaus«, 1926

© VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Plakat der ersten documenta, 1955
© documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Infobroschüre zur ersten documenta, 1955 — hier das »d« in Rot
© documenta archiv

Die Schriftform »Commercial Grotesk«, die Arnold Bode und sein Team, insbesondere Ernst Schuh und Heinz Nickel, für die Gestaltung des Corporate Designs der documenta Ausstellung wählten, wirkte wie der jüngere Bruder der »Schelter’schen Grotesk« — schmaler, adaptiert modern zur Zeit der ersten documenta 1955. Sie griffen auf das Bauhaus-Design und die Tradition des Klaren, Einfachen und Objektiven zurück. Ihr organisiert-gradliniges Plakat bildete als prägendes Gestaltungsmittel ein blaues, kleines »d«, ab. Der Text folgte der Kleinschreibung. Ohne ornamentale Verschmückungen und Serifen kündigten die Gestalter mit dem Design des Plakats und auch dem roten »d« der Infobroschüre, die Ausstellung als objektive, klare und plakative Schau der Moderne zur »Kunst des XX. Jahrhunderts« an.

Die klare und abstrakte Gestaltung fand Eingang in alle anderen Reklame- und marketingstrategischen Abteilungen der documenta: Das kleine »d« zierte Eintrittskarten, Menüs, Prospekte und den Katalog zur Ausstellung.

mehr über Ernst Schuh
Index: Personen
mehr über Heinz Nickel
Index: Personen
mehr über die erste documenta
Index: Organisationen

Einschlagmappe zur documenta 4, 1968
© documenta archiv

Flyer zur documenta 4, 1968
© documenta archiv

Briefumschlag des Sekretariats der documenta 3, 1964
© documenta archiv

Einladungskarte zur Eröffnung der documenta 2 am Abend des 11. Juli 1959
© documenta archiv

Speisekarte der Gastronomie in der Orangerie und im Museum Fridericianum der documenta 2, 1959
© documenta archiv

Briefumschlag des Sekretariats der documenta 2, 1959
© documenta archiv

In Hinsicht auf die Beschränkung der Primärfarben standen die Gestalter der documenta dem Bauhaus in nichts nach. Besonders auf dem Plakat der documenta 2 ist dies deutlich zu erkennen. Quadratische, farbige Flächen in Rot, Gelb und Blau, Minuskeln und römische Zahlen gehen ein in die typografische Gestaltung des Plakats.

Plakat der zweiten documenta, 1959
© documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Auch im Außenbereich ist die plakative Wirkung des Designs nicht zu übersehen: Das kleine »d« auf roten, gelben und blauen Fahnen unweit des Fridericianums lockte die Besucher von Weitem und entzog sich niemandes Blicken.

mehr über die documenta 2
Index: Organisationen

Fahnen vor dem Fridericianum, documenta 2, 1959

© documenta archiv / Fotograf unbekannt

Plakat der dritten documenta, 1964
© documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Auf der documenta 3 documenta 3 erhob sich die geometrische Form über das Plakat und die Gestaltung der Coporate Identity. Das Quadrat wurde diesmal nicht nur als geometrische Form eingefügt, sondern dominiert das Plakatformat. Bei der verwendeten Schriftart handelte es sich nicht um die »Commercial Grotesk«. Stattdessen wurde das »d« eigens für die Ausstellung konstruiert. Mit seinem kreisrunden Bauch erinnert es stark an jenes aus Herbert Bayers »Universalschrift«. Unverkennbar gehen beide Buchstaben auf die Form des Kreises zurück.


Plakat der documenta 4, 1968
© documenta und Museum Fridericianum gGmbH

Auch die documenta 4 orientierte sich am Stil des Bauhauses. Für die Gestaltung des Plakats und der Typographie der Ausstellung war nun, neben Bode, auch Karl Oskar Blase zuständig. Blaue, rote und weiße geometrische Flächen und besonders Quadrate standen im Mittelpunkt ihrer gemeinsamen Gestaltung. Auch die Primärfarben Blau und Rot fanden erneut Verwendung im Design.

Einschlagmappe zur documenta 4, 1968
© documenta archiv

mehr über die documenta 3
Index: Organisationen
mehr über die documenta 4
Index: Organisationen
mehr über Karl Oskar Blase
Index: Personen


Sie möchten zu diesem Thema beitragen oder uns etwas mitteilen? Senden Sie uns eine E-Mail.