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Martin Groh

Bauhaus-Künstler auf der zweiten documenta, 1959

Auf der zweiten documenta sah die sogenannte »Argumente«-Abteilung vor, wegweisende Stilrichtungen und Bewegungen in der modernen Kunst mit je einem Repräsentanten zu dokumentieren.
Diesmal zählte auch das Bauhaus dazu und war mit einem Ölgemälde von Oskar Schlemmer vertreten.

Neben Schlemmer galten auch die Bauhaus-Meister Wassily Kandinsky und Paul Klee als die »Lehrmeister der Kunst des 20. Jahrhunderts«. Die anderen Bauhaus-Künstler verteilten sich mit jeweils mehreren Beispielwerken auf die Abteilungen zur Kunst nach 1945, darunter Mordecai Ardon, Max Bill, Werner Gilles, Gerhard Marcks, Richard Oelze oder Fritz Winter.

Die ersten Ideen und Konzepte zur documenta 1955 durchdachte Arnold Bode mit einem Kreis von befreundeten Kunstexperten und -enthusiasten, Kollegen von der Werkakademie Kassel und Repräsentanten der Stadtgesellschaft. Ein großer Teil dieser Unterstützergruppe war in die 1955 gegründete »Gesellschaft für Abendländische Kunst des 20. Jahrhunderts e.V.« eingebunden, die schließlich hauptverantwortlich für die Organisation und Durchführung der Ausstellung war.

Wurde 1954/55 noch viel improvisiert und kurzfristig entschieden und organisiert, begannen die Planungen für die zweite documenta noch während der ersten. Deutlichstes Zeichen für die strukturelle Professionalisierung war die Gründung der documenta GmbH, die während der documenta 2, im Sommer 1959 vollzogen wurde.

Weisungsbefugt, z.B. im Hinblick auf die Künstlerauswahl, war nun ein »Hauptausschuss« genanntes Gremium. Dort waren neben dem mittlerweile vom Künstler und Gestalter zum »Kulturmanager« gewandelten Arnold Bode nur Kunstwissenschaftler, Museumsleute und Kuratoren vertreten.

Der Hauptausschuss erarbeitete im Herbst 1958 einen Entwurf für die zweite documenta. Die Ausstellung sollte die »besten Leistungen der Einzelpersönlichkeit in Malerei, Plastik, Architektur und Druckgrafik« dokumentieren und auf die Kunst der Nachkriegszeit und die gegenwärtigen Entwicklungen fokussieren. Deswegen erhielt sie den Untertitel »Kunst nach 1945«. Die frühen Planungen trugen aber noch deutlich die Handschrift von Arnold Bode.

Erneut favorisierte er eine umfassende Schau, die neben den klassischen Genres auch Architektur inklusive Industrieform und Tapisserie dokumentieren sollte. Schon im Dezember 1958 wurde jedoch klar, dass die Finanzen für eine solch breite Präsentation nicht ausreichten. Also konzentrierte man sich auf die einzelnen Künstlerpersönlichkeiten, ließ die Ausstellung aber mit einer Art Prolog beginnen. Dieser war in drei Unterkapitel aufgeteilt: »Die Argumente der Kunst des 20. Jahrhunderts«, »Die Lehrmeister der Kunst des 20. Jahrhunderts« und »Wegbereiter der Skulptur des 20. Jahrhunderts«.

In der »Argumente«-Abteilung wurden wegweisende Stilrichtungen und Bewegungen in der modernen Kunst mit je einem Repräsentanten dokumentiert, zu denen dieses Mal auch das Bauhaus gezählt wurde. In der Einleitung zum Malerei-Katalog der documenta 2 lieferte Werner Haftmann eine Definition für »Die Argumente der Kunst des 20. Jahrhunderts«:

mehr über Werner Haftmann
Index: Personen
»
Nun ist aber die Kunst unserer Gegenwart nicht losgelöst zu denken von den allgemeinen Argumenten und persönlichen Entwürfen, die seit dem Beginn des Jahrhunderts die bildende Kunst in Bewegung gebracht und sie tragfähig für die neuen Inhalte und Empfindungsweisen gemacht haben.
«
Quelle

Werner Haftmann: Malerei nach 1945, in:
II. documenta ’59. Kunst nach 1945. Internationale Ausstellung, Kassel,
11. Juli bis 11. Oktober 1959,
Katalog, Band Malerei, Köln, 1959, S. 16

Oskar Schlemmer: Konzentrische Gruppe, 1925

Das Ölgemälde »Konzentrische Gruppe« (1925) von Oskar Schlemmer hing stellvertretend für die Bauhaus-Schule in der »Argumente«-Abteilung, documenta 2, 1959

Damals war das Bauhaus gerade von Weimar nach Dessau gezogen und die folgenden vier Jahre in Dessau gelten als wichtigste Schaffensphase in Schlemmers Leben, geprägt von seiner Hauptthematik vom »Mensch im Raum«, zu der die »Konzentrische Gruppe« wiederum eines der Schlüsselwerke ist. Der Kunsthistoriker Will Grohmann, Mitglied im Hauptausschuss der documenta 2, beschreibt Schlemmers Herangehensweise:

mehr über Oskar Schlemmer
Index: Personen
»
Gegeben war der Raum als Platz der Handlung, hineinversetzt wird der Mensch, der Energien empfängt und aussendet, Energien, die sich fugenhaft verzahnen, so daß am Ende schwer zu ergründen ist, bei wem das Hauptthema liegt. Bewegt sind beide und sich bedingend in Struktur und Ausdruck.
«
Quelle

Will Grohmann: Geleitwort, in: Oskar Schlemmer. Aquarelle, Wiesbaden 1960, o. S.

Leider ist fotografisch nicht belegt, wie genau Schlemmers beispielhafte Bauhaus-Arbeit in der zweiten documenta inszeniert wurde. Aber die Werke der 32 Künstlerinnen und Künstler in den Abteilungen der »Argumente«, »Lehrmeister« und »Wegbereiter« waren ohne Ausnahme im großen Erdgeschosssaal des östlichen Flügels im Fridericianum platziert. Dort waren sie vor weiße oder mit hellgrauem Stoff bespannte Wände gehängt oder auf schwarze Plinthen gestellt worden.


Mordecai Ardon: The House of Maggid, 1954

Neben Schlemmer waren in diesem Vorspann zur documenta 2 vom Bauhaus nur Wassily Kandinsky und Paul Klee vertreten, aber eben nicht als Bauhaus-Künstler definiert, sondern, zusammen mit Piet Mondrian, als die großen »Lehrmeister der Kunst des 20. Jahrhunderts«.


Die übrigen Künstler des Bauhauses verteilten sich auf der documenta 2 mit jeweils mehreren Beispielwerken auf die Abteilungen zur Kunst nach 1945. In der »Malerei nach 45« waren Ölgemälde überwiegend aus der Zeitspanne 1954—1958 von Mordecai Ardon, Werner Gilles, Richard Oelze und Fritz Winter zu sehen.

mehr über das Museum Fridericianum
Index: Organisationen
mehr über Wassily Kandinsky
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mehr über Mordecai Ardon
Index: Personen
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Index: Personen
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Index: Personen
mehr über Fritz Winter
Index: Personen

© Foto: unbekannt / documenta archiv

Saal mit den »Argumenten«, »Lehrmeistern« und »Wegbereitern« der Kunst des 20. Jahrhunderts, im Hintergrund das Werk »Ueberschach« (1937) von Paul Klee, Museum Fridericianum,
documenta 2, 1959
© documenta archiv / Foto: Günther Becker / Succession H. Matisse / VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Wassily Kandinskys Werke »Auf Spitzen« (1928) und »Komposition Nr.4« (1911) im Erdgeschoss des Museums Fridericianum, documenta 2, 1959

© documenta archiv / Foto: Dieter Rudolph

In der »Skulptur nach 45« zeigte Max Bill u.a. die konstruktivistische Marmor-Arbeit »22«, entstanden 1953—1957, und Max Bill eine Bronze der biblischen Figur des »Hiob« aus dem Jahr 1957.
Schließlich wurden in der Druckgrafik-Abteilung im Bellevue-Schlößchen, die ebenfalls den Zeitraum 1945 bis 1959 umspannte, Zink- und Siebdrucke, Holzschnitte und Lithographien von Bill, Gilles, Marcks und Winter präsentiert.



Die Skulptur-Abteilung in der Ruine der Kasseler Orangerie, vorne rechts »Hiob« (1957) von Gerhard Marcks,
im Hintergrund »22« (1953—1957) von Max Bill, documenta 2, 1959
© documenta archiv / Foto: Hilmar Deist / Trustees of the Paolozzi Foundation, Licensed by / VG Bild-Kunst, Bonn 2019

mehr über Max Bill
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mehr über Gerhard Marcks
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Abermals spielte Fritz Winter eine kleine Sonderrolle in der Ausstellungsinszenierung, denn Bode zeigte von ihm einen großformatigen Wirkteppich aus dem Jahr 1956/57 im zentralen Rotunden-Aufgang des Fridericianums. Als Reminiszenz an seine ursprünglichen Pläne über eine breit angelegte, nahezu alle Künste umfassende Schau hatte Bode zwölf Werke von diversen Teppichkünstlern, quasi außer Hauptprogramm, in die Ausstellung »hinüberretten« können.



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