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Birgit Jooss

Arnold Bodes Kontakte im Berlin der frühen 1930er Jahre

Anfang 1930 zog Arnold Bode nach Berlin, um eine Dozentenstelle am »Städtischen Werklehrer-Seminar« anzunehmen. In der brodelnden Metropole pflegte er vielfältige Kontakte zu Künstlerinnen und Künstlern, auch aus dem Umkreis des Bauhauses. Dies war die Stadt, in der er bleiben wollte. Er schloss Freundschaften, reüssierte als Künstler, stellte aus und verkaufte. Doch 1933 fand die aufstrebende Künstlerkarriere ein jähes Ende.

Er wurde entlassen und kehrte mit seiner jungen Familie nach Kassel zurück, wo er Unterstützung durch seine Brüder erfuhr. Seine Träume zerplatzten, doch seine in Berlin geknüpften Kontakte halfen ihm, 1955 die erste documenta zu realisieren.

Anfang 1930 verließ Arnold Bode gemeinsam mit seiner Frau Marlou Kassel, um in Berlin eine Dozentenstelle als Leiter des Grundkurses am „Städtischen Werklehrer-Seminar“ anzunehmen. Sein ehemaliger Professor für Kunsterziehung an der Kasseler Kunstakademie, Hans Wilhelm Michel, hatte ihn zunächst als Dozenten und kurz darauf als Vizedirektor berufen #k.


Das junge Paar zog in die Neubau-Siedlung „Onkel Toms Hütte“ in Berlin-Zehlendorf, eine Anlage, die durch Klarheit und Einfachheit in der Gestaltung vom Neuen Bauen geprägt war.

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Die Krolloper in Berlin

Berlin war ein brodelnder Meltingpot, der zahlreiche Künstler anzog. Bode war begeistert vom großstädtischen Leben. Dies war die Stadt, in der er bleiben wollte. Er schloss neue Freundschaften, reüssierte als Künstler, stellte aus und verkaufte. Seinen autobiographischen Notizen kann man seine Begeisterung entnehmen:

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Berlin wird unsere Stadt ... viel gemalt – ausgestellt – neue Freunde, der Kreis um Hofer, Nay und Mettel – und noch viele Namen, die ich heute vergessen habe. Erfolge, Ankäufe von Museen – auch vom Kronprinzenpalais – einige Preise.
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Quelle

Arnold Bode: „Biographische Daten und autobiographische Notizen“, zit. nach Heiner Georgsdorf (Hrsg.): Arnold Bode. Schriften und Gespräche, Berlin 2007, S. 302

Die Rede war von Ausstellungen bei so einflussreichen Galerien wie Alfred Flechtheim und Paul Cassirer: 1932/33 war Bode in deren Ausstellung „Lebendige Deutsche Kunst“ neben Lyonel Feininger, Gerhard Marcks und vielen mehr vertreten. Auch bei Karl Buchholz konnte er ausstellen und sogar ein Gemälde an die Nationalgalerie Berlin verkaufen. Er hatte ohne Zweifel gut Fuß gefasst, war bestens vernetzt und auf dem Weg zu einer strahlenden Karriere.

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Ausstellungskatalog der Berliner Secession mit der Werk "Landschaft bei Urmatt" von Arnold Bode auf dem Cover, 1934

Kontakte aus Kassel waren eventuell förderlich. Denn auch sein ehemaliger sehr geschätzter Lehrer Ewald Dülberg und sein Kommilitone und Freund Teo Otto waren inzwischen in Berlin ansässig. Sie arbeiteten unter der Leitung von Otto Klemperer an der Reformierung der Berliner Krolloper mit. Dort engagierten sich zahlreiche führende Künstler, darunter auch die Bauhäusler László Moholy-Nagy und Oskar Schlemmer, die die Krolloper zu einer der progressivsten Musikbühnen Deutschlands machten.

Auch Ernst Schuh gehörte damals schon zu Bodes Freundeskreis. Er sollte später in Kassel mit ihm am Wiederaufbau der Kasseler Werkakademie arbeiten 5/9. Bodes Frau Marlou erinnerte sich im Rückblick an die lebendige Zeit in Berlin, die ihnen Kontakte nicht nur in den Kreisen von bildenden Künstlern bescherte, sondern auch in die Szene von Literatur und Theater:

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Wir waren jung, erst gerade verheiratet und hatten irrsinnig viele Freunde, viele Juden darunter, Künstler und Schriftsteller, der ganze Kreis um Brecht, Teo Otto … Man traf sich im Romanischen Café und redete wie im Rausch über Politik, Kunst, Theater, Literatur.
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Quelle

Marlou Bode im Gespräch mit Lothar Orzechowski, in: Lothar Orzechowski (Red.): Arnold Bode – Essays, Kassel 1986, S.18-19

Berührungspunkte zu Künstlern des Bauhauses muss es damals immer wieder gegeben haben. 1932 wurde Bode Mitglied des Künstlerbunds und der Berliner Secession, wo er seine Kontakte weiter ausbauen konnte. Darunter befanden sich auch ehemalige Bauhaus-Meister wie Lyonel Feininger, Werner Gilles oder Gerhard Marcks.

Ein weiterer Anknüpfungspunkt an das Bauhaus eröffnete sich durch die 1931 in Berlin ausgerichtete Bauausstellung „mit avantgardistischen Modellen neuen Bauens und Wohnens“. Vor allem die von Mies van der Rohe geleitete Abteilung „Die Wohnung unserer Zeit“ hatte Bode nachhaltig beeindruckt. Seine Familie erinnerte sich: „vor allem Mies van der Rohes Typenhaus […] regte ihn später zur documenta urbana an“.

Das Projekt documenta urbana verfolgte Arnold Bode intensiv im Kassel der Nachkriegszeit. Hier wollte er seine Vision von einer ins Leben übertragenen documenta verwirklichen. Dabei ging es ihm unter anderem – wie vielen seiner Vordenker im Bauhaus auch – um eine ganzheitliche Gestaltung von Innen- und Außenräumen, von Wohnraum und Stadtraum.

Doch 1933 fand die aufstrebende Künstlerkarriere ein folgenschweres Ende. Am 1. Mai wurde Bode fristlos wegen politischer Unzuverlässigkeit und zu modernen Lehrmethoden entlassen, seine Bilder teils zerstört. Die Versuche, in Halle/Saale und Düsseldorf als Dozent erneut Fuß zu fassen, scheiterten. Er musste mit seiner jungen Familie nach Kassel zurückkehren, wo er Unterstützung durch seine Familie erfuhr. Es folgten entbehrungsreiche Jahre: die Entfernung seiner Bilder aus den Museen Kassels, die zumeist anonyme Mitarbeit bei seinen Brüdern als Innenarchitekt und Möbelgestalter #h, die Einberufung und der Dienst in der Wehrmacht, wo er Soldatenheime gestaltete, die amerikanische Kriegsgefangenschaft und die Rückkehr in die stark zerstörte Heimatstadt.


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