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Birgit Jooss

Hans Soeder und die Reformierung der Kasseler Kunstakademie

Bislang wenig bekannt ist die Tatsache dass die Kasseler Kunstakademie in den 1920er Jahren im Sinne der Kunstschulreformbewegung umgestaltet wurde. Der heute weitgehend in Vergessenheit geratene Architekt Hans Soeder zeichnete dafür verantwortlich.

Er stand als Mitglied des Deutschen Werkbundes der gemäßigten Richtung des Neuen Bauens nahe. Neben der Etablierung eines Architekturstudiums richtete er — wie am Bauhaus — zahlreiche Werkstätten ein und sprach sich für die enge Zusammenarbeit von Meistern und Schülern bei Aufträgen aus.

Mit der Niederlage des Deutschen Kaiserreichs 1918 und der folgenden Wirtschaftskrise wurden viele Kunstakademien gezwungen, sich nicht mehr nur um die exklusiven Gattungen der freien Kunst – Malerei und Bildhauerei – zu kümmern. Die Ausbildung im volkswirtschaftlich wichtigeren Kunstgewerbe wurde protegiert. So forcierte man die Zusammenlegung von Kunstakademien und Kunstgewerbeschulen. Damit wollte der neue Staat zum einen Geld einsparen, zum anderen eine größere Flexibilität und ein höheres Niveau bei den inzwischen längst industrialisierten Gestaltungsaufgaben erreichen. Diese Zwangsvereinigung gelang in einigen Städten, so in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Karlsruhe und Weimar, nicht aber in Kassel.

Hier hatten sich Schüler 1920 in einem Protestschreiben erfolgreich dem Aufruf zur Zusammenlegung von Kunstakademie und Kunstgewerbeschule zu einer Einheitskunstschule widersetzt 5/9. Allerdings blieb das Anliegen des preußischen Kultusministeriums bestehen, die Fächer Architektur und Kunstgewerbe auch an der Kunstakademie anzusiedeln. Zu diesem Zweck setzte es 1923 einen neuen Direktor ein: den Architekten Hans Soeder

Der Architekt Hans Soeder

© HNA, Kassel / Repro: Bastian Ludwig

Er wurde sowohl als Professor für Baukunst als auch als Direktor installiert und sollte die Akademie progressiver ausrichten. Soeder stand als Mitglied des Deutschen Werkbundes der gemäßigten Richtung des Neuen Bauens nahe. 1919 hatte er sich auf einen Posten als Werkstattleiter beim Bauhaus in Weimar beworben.

Sogleich ersetzte er in Kassel das Architekturstudium für Künstler durch einen vollwertigen Unterricht für Bauhandwerker und -techniker und baute die von ihm als Architekturschule bezeichnete Abteilung neu auf.

Gleichzeitig führte er – gemeinsam mit dem Malereiprofessor Ewald Dülberg – weitere grundlegende Neuerungen ein: Sie vereinigten die „freie“, akademische Kunst mit der „angewandten“ Kunst in einem ganzheitlichen, praxisorientierten Lehrkonzept. Erweiternd zu den bereits bestehenden Werkstätten für Druck und Gipsabguss wurden nun Werkstätten für Schreinerei, Metall, Keramik, Weberei, Färberei und Buchbinderei eingerichtet, mit dem Ziel „die Möglichkeit [zu schaffen], das Akademiestudium mit dem öffentlichen Leben in weit engeren und vielfältigeren Kontakt zu bringen als bisher.“ Gemeint war die enge Zusammenarbeit von Meistern und Schülern bei Aufträgen.

Stephan Hirzel ordnete diesen Reformprozess im Rückblick als – sicherlich nicht ganz zutreffende – direkte Auswirkung des Bauhauses ein, als er 1952 schrieb:

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Allen voran das Bauhaus als vereinigte Kunstakademie und Kunstgewerbeschule Weimars hatte der Ausbildung seiner Schüler ein solides Fundament in Form von Werkstätten gegeben. Dem Beispiel folgend, entschloß sich die Kasseler Akademie zu grundsätzlicher Reform.
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Quelle

Stephan Hirzel: 175 Jahre Kasseler Akademie. Jubiläumsausstellung im Landesmuseum Kassel, Kassel 1952, S. 23-24


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