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Laura Diermann

»Müssen deutsche Formgeber grimmig sein?« — Der Fall Wagenfeld

1964: Bereits auf zwei documenta Ausstellungen präsentierten die Kuratoren bedeutende Einzelwerke verschiedener Bauhaus-Künstler. Doch auf der Parallelausstellung „Industrial Design“ der documenta 3, wurde der Wunsch eines Künstlers, nicht auszustellen, übergangen.

An die Stelle einer aufrichtigen Entschuldigung trat jedoch lediglich Erklärungsnot und ein Versuch der Beschwichtigung seitens der Verantwortlichen:

Die Zusatzausstellung „Industrial Design und Graphik“ der documenta 3 eröffnete am 22. August 1964 in der Staatlichen Werkkunstschule Kassel und war bis zum 31. Oktober 1964 zu sehen 9/9. Der Direktor der Werkkunstschule, Jupp Ernst, war als Mitglied des documenta-Rates hauptverantwortlich für die Abteilung „Industrial Design“. Er wählte mehrere Arbeiten namhafter Designer aus, darunter auch Werke von Bauhaus-Künstlern wie Ludwig Mies van der Rohe, Herbert Hirche und Wilhelm Wagenfeld; Max Bill sagte ab und stellte nur in der von Karl Oskar Blase geleiteten Graphikabteilung aus.

Doch Bill war nicht der Einzige, der seine Arbeiten nicht der Öffentlichkeit zugänglich machen wollte. Auch Wilhelm Wagenfeld entschied sich gegen die Präsentation seiner Werke auf der „Industrial Design“ Abteilung. Seine Begründung lautete, dass er nach den großen Gesamtausstellungen in Zürich, Amsterdam, München und Berlin seine Werke nicht wiederholt zeigen, sondern erst seine Arbeit mit der Industrie vertiefen wolle. Über diesen Wunsch setzten sich die Kuratoren entschieden hinweg – trotz zweifacher Absage Wagenfelds.



Jupp Ernst und sein Team führten ihre Werklisten des bei der Württembergischen Metallwarenfabrik produzierten Industriedesigns Wagenfelds fort und forderten Fotografien für den Katalog an.

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© WMF Group GmbH / Foto: Hessisches Staatsarchiv Marburg

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© WMF Group GmbH / Foto: Hessisches Staatsarchiv Marburg / VG Bild-Kunst Bonn 2019

© WMF Group GmbH / Foto: Hessisches Staatsarchiv Marburg

© WMF Group GmbH / Foto: Hessisches Staatsarchiv Marburg / VG Bild-Kunst Bonn 2019

© WMF Group GmbH / Foto: Hessisches Staatsarchiv Marburg

Wilhelm Wagenfeld: Besteckmodell Form
© WMF Group GmbH / Foto: Hessisches Staatsarchiv Marburg / VG Bild-Kunst Bonn 2019

Den Wunsch des Künstlers übergehend, entschieden sie sich, mehrere Werke auf der Abteilung «Industrial Design» auszustellen.

Wilhelm Wagenfeld selbst wurde nicht informiert. Erst mit der Zusendung des Kataloges zur Zusatzausstellung erhielt dieser Kenntnis. Im November wendete er sich mit seiner Enttäuschung über das unkollegiale Verhalten an Ernst und warf diesem vor, «nur ein ganz einseitiges und damit falsches Bild» seines Schaffens mit der Industrie gezeigt zu haben.

»
Mich hat dieses Vorgehen nicht gefreut. Ich denke vielmehr, daß (!) man fairerweise nach meinem Brief nun wirklich auf meine Beteiligung verzichten mußte (!). (…) Ich hatte leider nicht mit einem solchen Vorgehen der Ausstellungsleitung gerechnet (…).
«
Quelle

Brief Wilhelm Wagenfeld an Jupp Ernst 20.11.1964, Marburg, HStAM, 429/2 Nr 84

Jupp Ernst an Wilhelm Wagenfeld am 26.11.1964
© Felix Gephart / Foto: Hessisches Staatsarchiv Marburg

Wilhelm Wagenfeld an Jupp Ernst am 20.11.1964
© Meike Noll-Wagenfeld / Foto: Hessisches Staatsarchiv Marburg


Den beschwichtigenden Worten Ernsts, die documenta Ausstellungen »Industrial Design« und »Graphik« seien ein voller Erfolg gewesen, folgte der Versuch, die Schuld abzuwälzen; Schließlich seien es Hans Eckstein, Willem Sandberg und Dietrich Mahlow gewesen, die das Werk eines bekannten Formgebers wie Wilhelm Wagenfeld ausgestellt hätten. Dabei war »(d)ie Verantwortung für die Qualität der Ausstellung (…) höher anzusetzen als die augenblickliche Meinung des Urhebers« folgerte der Ausstellungsmacher und appellierte an Wagenfeld:

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»
Nun ein Wort unter Freunden: Müssen deutsche Formgeber grimmig sein?  
«
Quelle

Brief Jupp Ernst an Wilhelm Wagenfeld, 26.11.1964, Marburg, HStAM, 429/2 Nr 84

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