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Andrea Linnenkohl

Brian Jungens »Dog Run« auf der documenta 13

Brian Jungens künstlerische Arbeiten kommentieren kulturelle und soziale Fragen, verbinden diese mit Massen- und Konsumgütern, die oft das Ausgangsmaterial seiner Skulpturen und Installationen darstellen und als Analyse der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation zu lesen sind.

Die Formgebung mancher Objekte seiner Arbeit »Dog Run« für die documenta 13 im Jahr 2012 referiert unmissverständlich auf Ludwig Mies van der Rohes Barcelona Chair, eine Bauhaus-Ikone von 1929 und bis heute ein Verkaufsschlager für diejenigen, die die sich mit Design-Klassikern gesellschaftlichen Status zu sichern glauben.

Nach dem Ende der Ära Bode/Haftmann spielte das Bauhaus keine Rolle mehr.2/9, 4/9, 9/9 Erst in jüngster Zeit tauchten punktuell wieder Werke des Bauhauses auf, sei es als historische Referenz, als Aneignung oder ironische Transformation.

Im Jahr 2012 realisierte der Kanadische Künstler Brian Jungen die Arbeit "Dog Run" für die documenta 13 in der Karlsaue. "Dog Run" bestand aus einem Parkour aus Skulpturen für Hunde und deren Halter/innen, ausgerichtet als Spielplatz und Ort der Freundschaft zwischen Tier und Mensch. Die Hunde waren frei auf den Skulpturen zu toben und zu springen und mit diesen zu spielen, während ihre Halter/innen auch auf diesen sitzen und sich ausruhen konnten. Die Besucher/innen der Ausstellung konnten das spielerische Treiben vom Zaun aus beobachten.

Little Brown Dog, Battersea Park, London, 1906
© National Anti-Vivisection Society, Encyclopaedia Britannica

Den ursprünglichen Impuls zu dieser Arbeit hatte Brian Jungen bereits 2004 als er die Geschichte der Statue des Little Brown Dog im Londoner Battersea Park las und diesen Ort in Vorbereitung seiner Ausstellung in der Tate Modern besuchte.

Little Brown Dog war 1903 an den Folgen illegaler Tierversuche gestorben, die das University Collage London an ihm und weiteren 232 Hunden vorgenommen hatte. Diese wurden von zwei schwedischen Medizinstudentinnen und Tierrechtlerinnen aufgedeckt und die verantwortlichen Ärzte angeklagt, ohne jedoch verurteilt zu werden. Als Reaktion hierauf ließen sie 1906 die Statue des Little Brown Dog errichten und lösten die Browndog-Affäre aus, die zur Entfernung der Statue im Jahr 1910 führte. Erst 1985 wurde diese an gleicher Stelle wiedererrichtet.

Ludwig Mies van der Rohe:
Barcelona Stuhl 250, 1929
© VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Brian Jungens künstlerische Arbeiten kommentieren kulturelle und soziale Fragen, verbinden diese mit Massen- und Konsumgütern, die oft das Ausgangsmaterial seiner Skulpturen und Installationen darstellen. In dieser Verbindung sind sie als Analyse der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation zu lesen.

So erinnert die Formgebung mancher Objekte des Parkours des »Dog Run« der documenta 13 deutlich an Ludwig Mies van der Rohes Barcelona Chair. Designed im Jahr 1929 wurde dieser Stuhl zu einer Bauhaus-Ikone und zu einem der bekanntesten Objekte des letzten Jahrhunderts. Wie viele andere Bauhaus-Möbel ist der Barcelona Chair zu einem Verkaufsschlager für eine finanzkräftige Käuferschicht gewachsen, die sich mit Design-Klassikern gesellschaftlichen Status zu sichern glaubt.

Jungen allerdings dechiffriert diese Weltmarke und thematisiert zugleich globalen Kapitalismus, wenn er Gebrauchsgegenstände, Konsumgüter oder industrielle Produkte als Ausgangsmaterialien für seine Arbeiten nutzt. In Kombination mit dem Auslauf-Parkour für Hunde kann die Arbeit »Dog Run« als Analyse gesellschaftlicher Praktiken und schließlich als übergeordnete Kulturkritik gelesen werden.



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