documenta
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documenta 1

Zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verwirklichte der Kunstprofessor und Gestalter Arnold Bode in Kassel seinen Traum einer umfassenden Retrospektive zur europäischen Kunstentwicklung im 20. Jahrhundert. Schauplatz der „documenta“ genannten Ausstellung war das kriegszerstörte, provisorisch wiederhergestellte Museum Fridericianum. Sein improvisierter Zustand bot optimale Bedingungen für spektakuläre Inszenierungsmethoden, mit denen Kunstwerke und Raum in spannungsvolle Beziehungen zueinander gesetzt wurden.

Auf der organisatorischen Grundlage des Vereins „Abendländische Kunst des XX. Jahrhunderts e.V.“, unter Trägerschaft der Stadt Kassel und mit dem Kunsthistoriker Werner Haftmann als wichtigstem Berater initiierte Bode hier den Beginn der weltweit bedeutendsten Ausstellungsreihe für Gegenwartskunst. Bereits der Name „documenta“ sollte den Anspruch einer objektiven Bilanz und verbindlichen Übersichtsleistung signalisieren. Kulturpolitische Aufgaben von nationalem Rang waren mit dem Konzept der ersten documenta verbunden: unter anderem die Rehabilitation der wenige Jahre zuvor als „entartet“ diffamierten Künstler, die Wiedereingliederung Westdeutschlands in die Reihe der europäischen Kulturnationen und die Schaffung einer programmatischen Grundlage für zukünftige künstlerische Praxis in einer demokratischen Gesellschaft. „Standortbestimmung“, „Vergangenheitsbewältigung“ und „Wiederanknüpfen“ an die gewaltsam unterbrochenen Traditionslinien der Avantgarde der 1. Jahrhunderthälfte waren 1955 erklärte Ziele. Entscheidend für die Glaubwürdigkeit dieser Anliegen war, dass sie nicht auf staatlicher Anordnung, sondern auf einer Privatinitiative beruhten.