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Martin Groh

Bauhaus-Künstler auf der dritten documenta, 1964

Auch auf der dritten documenta musste Bode aufgrund finanzieller Engpässe auf die Integration der Themen Design und Architektur in der Hauptausstellung verzichten. Doch es gelang ihm — gemeinsam mit Jupp Ernst, dem Direktor der Kasseler Werkkunstschule — eine Sonderschau zu installieren.

Diese widmete sich der »Graphik« und dem »Industrial Design«. Auch wenn sich die Kuratoren nicht explizit auf das Bauhaus beriefen, waren mit Herbert Hirche, Ludwig Mies van der Rohe und Wilhelm Wagenfeld immerhin drei sehr bekannte Protagonisten vertreten. In der Hauptausstellung waren erneut Arbeiten von Bill, Kandinsky, Klee und Winter zu sehen. Richard Oelze war mit drei Ölgemälden der einzige Bauhaus-Künstler in der Abteilung »Aspekte 64«, die die aktuellste Kunst präsentierte.

Aufsteller mit dem Logo der documenta 3 auf dem Friedrichsplatz.
© documenta archiv / Fotograf unbekannt


Wie die zweite documenta 1959 auf die erste von 1955, war ursprünglich vorgesehen, dass die dritte Ausgabe im Abstand von vier Jahren auf ihre Vorgängerin folgen sollte. Dieser Zeitraum erwies sich aber als zu kurz und so wurde die documenta 3 auf das Jahr 1964 verschoben4/9.


Aufgrund finanzieller Engpässe sah sich Arnold Bode wie schon bei den ersten zwei documenta Ausstellungen genötigt, auf die Integration der Themen Design und Architektur in die Hauptausstellung zu verzichten1/9. Er musste sich im Sommer 1963 mit Jupp Ernst, dem Direktor der Kasseler Werkkunstschule, alliieren, um seine lang gehegte Idee wenigstens in Teilen zu verwirklichen. Ende November desselben Jahres trat Ernst dem wichtigsten Entscheidungsgremium der documenta 3, dem documenta-Rat bei und sagte zu, wenigstens eine Design- und Graphik-Ausstellung als parallele Sonderschau zur dritten documenta zu planen. Ernst wurde federführend bei der Inszenierung der Ausstellung und stellte die Räumlichkeiten der Werkkunstschule dafür zur Verfügung. Bode hingegen wurde als letztverantwortlicher Leiter der Parallelveranstaltung benannt.


Tatsächlich wurden auch nur die Abteilungen »Industrial Design« und »Graphik« umgesetzt. Eine Sektion zu den Themen Film und Fotografie, die Bode zusätzlich hatte einrichten wollen, fand gar nicht statt und in der Graphik-Schau wurde ausschließlich Plakatkunst ausgestellt. Trotzdem gerieten die Zeitpläne durcheinander, sodass die Zusatzausstellung nicht zeitgleich mit der documenta 3, sondern erst vier Wochen später eröffnete. Finanziert wurde sie im Wesentlichen durch die Großspenden zweier privater Stifter in Höhe von insgesamt 75.000 DM. Im Vorwort zum Katalog räumte Bode ein: »Perfektion im Entwurf und Vollständigkeit im Detail konnten bei der Kürze der Zeit, die zur Verfügung stand, diesmal unser Ziel nicht sein«.


In der Abteilung »Graphik« waren aus den Reihen der Künstlerinnen und Künstler des Bauhauses Herbert Bayer, Max Bill und Joost Schmidt vertreten. Von Bayer wurden drei Entwürfe aus seinen Jahren als Bauhaus-Schüler gezeigt, unter anderem für ein Messe-Ausstellungshäuschen von 1924, von Bill nur nach 1945 entstandene Ausstellungsplakate und von Schmidt sein bekanntes Plakat zur Ausstellung Staatliches Bauhaus Weimar 1923.

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In der Einführung zu dieser Abteilung schrieb der Kunsthistoriker Werner Doede über das Bauhaus:

»
Es ist bekannt, welche befruchtende Wirkung von der intelligent und experimentell betriebenen Arbeit des Bauhauses in Weimar und Dessau ausgegangen ist. Dabei waren die Bauhausleute nicht etwa die einzigen, auch nicht einmal immer die ersten unter den hoffnungsfreudigen Pionieren der neuen Sinn- und Formgebung, um die man sich bemühte. Indessen hat unbestreitbar die einzigartige, […] enge Zusammenarbeit zwischen stärksten künstlerischen Kräften und den auf unmittelbare Anwendung drängenden Praktikern innerhalb des Bauhaus-Kollegiums jene Aktivitäten synchronisiert, die in der Vereinzelung Gefahr laufen, esoterisch zu bleiben. 
«
Quelle

Werner Doede: Einführung, in: documenta III. Industrial Design, Graphik, Staatliche Werkkunstschule Kassel, 22. August bis 31. Oktober 1964, Katalog, Kassel 1964, o.S.

Während Doede die Rolle des Bauhauses dergestalt würdigte, ging Hans Eckstein, Museumsleiter in München und wie Doede Mitglied im Arbeitsausschuss für die Zusatzschau, in seiner Einführung zum Ausstellungsteil »Industrial Design« mit keinem Wort auf das Bauhaus ein, sondern schrieb nur sehr allgemein und kurz vom »Funktionalismus der zwanziger Jahre«.

Das ist bemerkenswert, denn in dieser Abteilung befanden sich unter den zwanzig Designer-Namen mit Herbert Hirche, Ludwig Mies van der Rohe und Wilhelm Wagenfeld immerhin drei sehr bekannte Protagonisten des Bauhauses#l.
Hirche zeigte vier Möbel aus den Jahren 1954 bis 1959, während von Mies van der Rohe überwiegend seine Möbel-Klassiker von der Weltausstellung in Barcelona 1929 und von Wagenfeld hauptsächlich Chromargan-Objekte aus der Nachkriegszeit, aber auch zwei Silberschalen von 1930 ausgestellt waren.

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Der Fall Wagenfeld

Blick in den Ausstellungsteil "Industrial Design" der documenta 3.

© documenta archiv / Fotograf unbekannt

Die Abteilung "Bild und Skulptur im Raum" mit der Plastik "Rhythmus im Raum", 1947/48, von Max Bill.
@ documenta archiv / Foto: Hans-Kurt Boehlke / VG Bild-Kunst, Bonn 2019









Für Bode und Werner Haftmann manifestierte sich in der Durchführung der documenta 2 und in den Vorbereitungen der documenta 3 die „Weltsprache des Abstrakten“. Schon vor der zweiten documenta und in den Jahren seither seien in der zeitgenössischen Kunst neben dem, was dort ausgestellt worden sei, »keine lebendigen, in die Zukunft wirkenden Kräfte anzutreffen« gewesen. In den fünf Abteilungen der Hauptausstellung waren demgemäß Wassily Kandinsky und Paul Klee erneut als historische »Lehrmeister« in den »Kabinetten in der Alten Galerie« vertreten. Daneben wurden von Fritz Winter als Repräsentant der Kunst der »40—60-jährigen« im Museum Fridericianum acht großformatige Malereien aus dem Jahr 1933 in einem eigenen Kabinett gezeigt.



Die Plastik »Rhythmus im Raum« von 1947/48 war hingegen alleiniger Beitrag von Max Bill in der Abteilung »Bild und Skulptur im Raum«.
Richard Oelze war mit drei Ölgemälden der einzige Bauhaus-Künstler in »Aspekte 64«, der Abteilung mit der aktuellsten Kunst auf der documenta 3. Seine Werke wurden zusammen mit Arbeiten von Jean Dubuffet in einem gesonderten Raum im Museum Fridericianum platziert. Demgegenüber repräsentierten in der von Werner Haftmann verantworteten großen Überblickschau zu den »Handzeichnungen« aus sechs Jahrzehnten mit Kandinsky, Klee, Oskar Schlemmer, Gerhard Marcks, Lyonel Feininger, Werner Gilles und Oelze eine ganze Reihe von ihnen die Bauhaus-Schule. Tatsächlich waren die meisten von ihnen auch in einem besonders dem »Blauen Reiter« und dem Bauhaus gewidmeten Raum im Untergeschoss der Alten Galerie zusammengefasst.

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